Schmelzzwiebeln
Rostbraten, Käsespätzle, Maultaschen und Gaisburger Marsch haben zwei Dinge gemeinsam: erstens sind alles Gassenhauer der schwäbischen Küche, zweitens werden sie fast ausnahmslos mit Schmelzzwiebeln gekrönt. Es ist durchaus möglich, dass auch im Sauerland, der Uckermark oder im Erzgebirge Schmelzzwiebeln gegessen werden, ich kenne mich mit regionalen Küchen nördlich der Mainlinie leider nicht besonders gut aus. Fest steht, dass sie im Südwesten Deutschlands von zentraler Wichtigkeit sind – der schwäbische Parmesan, wenn Sie so wollen.
Der Vergleich ist nicht so weit hergeholt, wie es scheinen mag: Zwiebeln enthalten ebenso wie Parmesan Glutaminsäure, die umgangssprachlich als Glutamat zweifelhaften Ruf genießt, aber natürlicher Bestandteil vieler Lebensmittel ist und für den fünften Geschmack Umami sorgt, den wir alle heiß und innig lieben. Schmelzzwiebeln sind sozusagen die Umami-Maximierung der Zwiebel: Erst die beim Anbraten einsetzende Maillard-Reaktion und parallele Karamellisierung, dann das langsame Weichschmurgeln samt geschmacklicher Intensivierung durch Flüssigkeitsverlust. Günstiger können Sie Ihr Essen schwerlich umamisieren, was die Beliebtheit im Schwäbischen mit erklären mag.
- 2 mittelgroße Zwiebeln
- 30 g Butter
- 1/2 TL Zucker
- etwas Brühe oder Wasser
- Salz und Pfeffer
Zwiebeln schälen, halbieren und in feine Streifen schneiden.
Butter bei verhaltener Hitze in einer Pfanne schmelzen, Zwiebeln mit dem Zucker darin gemächlich anbraten und immer wieder umrühren. Die Zwiebeln sollen nur ganz langsam Farbe annehmen.
Nach etwa 8 – 10 Minuten werden die Zwiebeln wohl goldbraun sein und in der Pfanne werden sich Bratspuren entwickelt haben. Jetzt mit etwas Brühe oder Wasser ablöschen – nur soviel, dass sich der Bratsatz von der Pfanne löst und die Flüssigkeit sehr schnell wieder verdampft. Diesen Vorgang mehrmals wiederholen, bis die Zwiebeln nach insgesamt ca. 12 – 15 Minuten Garzeit vollständig weich und satt gebräunt sind. Abschmecken mit Salz und Pfeffer.
Schmelzzwiebeln hießen ursprünglich Schmälzzwiebeln oder geschmälzte Zwiebeln, vom Schmalz, in dem sie angebraten wurden und das Sie statt der Butter natürlich ebenfalls benutzen können.
Kontext
Fragen, Jubel oder Klagen? Lassen Sie es mich und die anderen Leser wissen!
24 Kommentare
Yeet # 1 – 27.05.20, 13:42 Uhr
Gutes rezept top
Antworten
Yeet2 # 2 – 21.10.20, 23:36 Uhr
Was zur Hölle heißt Weichschmurgeln heißen?
Antworten
Ralf Schmid # 2.1 – 22.10.20, 11:29 Uhr
Gute Frage! Ich suchte beim Abfassen nach einem hübschen Wort für »total gemütlich vor sich hin braten« oder, noch gemütlicher: »hin bräteln«. Weil ich nichts Gescheites fand, hielt ich mein Ohr an die Zwiebeln und vernahm ein zufrieden klingendes »schmurgel, schmurgel«, das mir so gut gefiel, dass ich es verwendet habe. Für Ihre Hölle eignet es sich aber nicht so gut, weil in der ja scharf angebraten, über Weißglut gegrillt und in wütend zischendem Fett hochleistungsfrittiert wird. Was Sie da hören, ist eher »aufheul«, »jammer« oder »stöhn« und an ganz schlimmen Tagen auch »kreisch«, »um Gnade winsel« etc.
Antworten
Claudio # 2.1.1 – 20.11.23, 17:49 Uhr
Herrlich!
Antworten
Veithamburg22 # 2.2 – 05.03.21, 09:54 Uhr
Weichschmurgeln bedeutet garen. *Langsam vor sich hin kochen* wäre es wohl genau übersetzt. :)
Antworten
Fred # 2.3 – 06.10.21, 21:48 Uhr
So schmeck's halt nur in Bayern. Weichschmurgeln gibt's nur da. : )
Antworten
Gaby # 2.3.1 – 11.03.23, 13:47 Uhr
Schmuggeln gibt es auch bei den schwaben
Antworten
Gabi # 2.3.1.1 – 21.08.23, 15:54 Uhr
Schmuggeln ist nicht schmurgeln.
Antworten
Felix # 2.4 – 19.06.22, 11:00 Uhr
Schon bei Wilhelm Buschs Max und Moritz heißt es
"Durch den Schornstein mit Vergnügen
Sehen sie die Hühner liegen,
Die schon ohne Kopf und Gurgeln
Lieblich in der Pfanne schmurgeln"
Antworten
Heike # 3 – 28.10.20, 17:16 Uhr
Sehr lecker!
Und der Kommentar zur Hölle ist einfach göttlich
Antworten
Ralf Schmid # 3.1 – 28.10.20, 17:26 Uhr
Lassen Sie das mit dem Göttlichen nur nicht den Teufel wissen. Der steht da nicht so drauf.
Antworten
Susann Boesche # 3.2 – 11.11.20, 09:40 Uhr
Ich musste schallend Lachen ob des Kommentars mit dem Göttlichen - da der ja seinen Lieblingssohn den Lichtbringer in das Gefilde das wir als Hölle kennen geschickt hat, um da für Ordnung zu sorgen.- Je nachdem an welche Version des Märchens, das so mancher Bibel nennt, man denn glaubt. (Er hat es also doch mit der Hölle ;))
Da dies Schmelzzwiebeln allerdings Versuchung und Sünde pur sind - hat der gute alte Lucifer da bestimmt auch mal seine Finger dran gehabt. Ich werde sie jedenfalls genießen :)
Antworten
Ralf Schmid # 3.3 – 11.11.20, 17:15 Uhr
Ein bescheidenes Gemüse, vergleichsweise kalorienarm zubereitet ist bereits Versuchung und Sünde pur? Na, ich weiß ja nicht – früher war der Bogen irgendwie weiter gespannt, wenn ich mich recht erinnere.
Antworten
Mike Milewski # 4 – 10.04.22, 06:58 Uhr
Schmälzzwiebeln heißen auch heute noch Schmälzzwieben. Schnee und Eis können schmelzen, Zwiebeln können das nicht! Und es kommt immer noch vom Schmalz, in dem die Zwiebeln gebraten werden. Butter hat im Übrigen im Rezept nichts verloren...
Bin Schwabe und Gastronom und weiß wovon ich rede...
Antworten
Ralf Schmid # 4.1 – 10.04.22, 11:56 Uhr
In einer idealen Welt würden die Menschen ganz sicher erstmal schwäbische Gastronomen konsultieren, um zu erfahren, wie sie korrekt sprechen und welches Fett sie wofür verwenden dürfen. Die wirkliche Welt folgt aber nun mal leider der normativen Kraft des Faktischen, ablesbar beispielsweise bei Google: __Schmälzzwiebeln__ 208 Treffer, __Schmelzzwiebeln__ 14.400, weitere 26.400 zu __Zwiebelschmelze__. Dazu kommt der beklagenswerte Umstand, dass Schmalz in mitteleuropäischen Haushalten längst zum Nischenprodukt schrumpfte, sofern man überhaupt schon mal davon gehört hat. In meiner Eigenschaft als gelegentlicher Spontandichter möchte ich drittens noch auf das Phänomen __Metapher__ verweisen. Naturwissenschaftlich betrachtet ist das Herz im Wesentlichen ein Muskel und als solcher nicht schmelzfähig, in der Poesie schmolzen Herzen hingegen bereits millionenfach, ohne dass ein Ende absehbar wäre.
Wer nun rechter hat? Wir wissen es nicht. Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass die verbreitete Annahme, alle außer einem selbst wären Idioten, nur in extrem seltenen Fällen zutrifft.
Antworten
Felix # 4.2 – 19.06.22, 10:54 Uhr
JAAA!
Danke!
Antworten
sabine # 4.3 – 18.01.23, 13:00 Uhr
mega antwort! :)
Antworten
Mimi # 4.4 – 28.07.24, 17:40 Uhr
Ich bin spontanverliebt!
Antworten
Mucda99 # 5 – 20.12.22, 08:42 Uhr
Das Rezept ist so gut (erklärt) wie die Kommentare des Verfassers geistreich und humorig. Eine Freude für alle Sinne die Gott uns geschenkt hat.
Butter und Schmalz, Gott erhalts! Für meinen vegetarischen Mann ist erstere die gute Alternative und die Schmälzzwiebeln schmelzen auch so auf der Zunge dahin. Somit ist das e in der wohl Google geschuldeten und somit gewählten Schreibform auf alle Fälle berechtigt.
Antworten
Sophia # 6 – 25.01.23, 17:42 Uhr
"in feine Streifen schneiden"
wird ja neuzeitlich gerne längs der Pflanzenfaser vollzogen, bei Lauch z.B. oder Frühlingszwiebeln, sieht halt gut aus, ist jedoch nicht zum Kauen geeignet ...
wir schneiden immer quer zur Faser...
Antworten
Manu # 7 – 08.01.24, 23:03 Uhr
Sooo schade, dass ich Sie und Ihr Kompendium erst jetzt kennenlerne. Ihr Vergleich von Schmelzzwiebeln mit Parmesan hätte sich gut gemacht in der Masterarbeit, die ich 2014 schrieb. "Zwischen Kolosseum und Hofbräuhaus" handelt davon, wie wir kulinarisch von den alten Römern und ihren Nachfolgern auf dem Stiefel erobert wurden. Da ist so einiges auf Ihrer geistreichen Webseite, das ich gern als Auflockerung zwischendrin zitiert hätte :-)
Antworten
Michlvadda # 8 – 01.07.24, 10:51 Uhr
köstlich diese Diskussion... Ich wurde schon mal fast gelyncht - weil der AUFTRAGGEBER nur RÖSTZWIEBELN bestellt hatte - ohne anzumerken "Die KNUSPRIGEN". Hier nahm das Unglück seinen Lauf.... Ich machte SCHLONZIGE (aka Schmaelz-Zwiebel) - so wie ich das aus meiner badischen Umgebung her kenne. Der Auftraggaber - schon erwartungsvoll und hungrig - hüpfte wie ein gescheuchtes Hühnchen in der Küche herum...: WAS soll'n des? ... sinn mir hier in ere Kantin' ???
Sein Weib hat mich dann gerettet und hat dann für IHN - SEINE "KNUSPRIGEN" Zwiebeln gemacht. Ich mag die oft bitter schmeckenden KRACH-ZWIEBELN überhaupt nicht und ess' lieber die SCHLONZIGEN.... mit ä bissi Knofi dabei...
Merke: Weder das Eine noch das Andere ist besser .... sondern nur a n d e r s ! Toleranz am Herd - ist zu Hause - GOLDES wert....!
Antworten
Michlvadda # 9 – 01.07.24, 10:53 Uhr
noch ebbes:
schmurgeln ist nix anderes als "köcheln" ......
Antworten
Hüttenselbstversorger # 10 – 01.08.24, 14:00 Uhr
Das Rezept ist ja schon etwas länger online, aber ich hänge mich hier mal dran...
Wir haben letztes Wochenende auf einer Selbstversorgerhütte nach einer Bergtour für 10 Esser Käsespätzle mit Röstzwiebeln ohne Mehl zelebriert. Sehr lecker! Die Zwiebeln haben aber soo lang in der Pfanne gebraucht, bis sie den gewünschten Farbton hatten, dass wir zwei Stunden später gegessen haben, als geplant. Wir haben haben halt nach dem letzten Foto noch weitergemacht, bis die Zwiebeln beim Kauen geknuspert haben.
Das mag jetzt an der Menge (2,5kg Zwiebeln) und dem gewünschten Bräunungsgrad (dunkelbraun, FAST schwarz) gelegen haben, aber als ich nach einer schnelleren Zubereitungsart (Backofen) gesucht habe, sind nur Rezepte mit Mehl gekommen. Dann habe ich nach Schme/älzzwiebeln gesucht und bin hier gelandet.
Jetzt die Frage: hat jemand anstatt der Pfanne erfolgreich nur das Backblech im Ofen mit Umluft verwendet? Natürlich die Zwiebel(halb)ringe zuerst in Öl und/oder geschmolzener Butter/Schmalz gewendet. Bei Ofenkartoffeln funktioniert das ja auch super. Welche Temperatur und Zeitdauer macht denn Sinn? Maillard fängt bei 140°C an. Karamell oberhalb 143°C. Oberhalb 160°C entstehen unerwünschte Stoffe (bitteres Karamell), oberhalb 170°C Acrylamid. Wenn es zu kalt ist verdampft aber das viele Wasser nicht.
Vielleicht muss ich es auch einfach erst ohne Gäste ausprobieren...
Super erklärtes Rezept übrigens! Danke!
Antworten