Gong Bao Ji Ding
Unter den nicht den gerade wenigen chinesischen Regionalküchen von Rang gilt die Szechuan-Küche vielen Leuten als eine der interessantesten, und ihre im Weltmaßstab sicher bekannteste Hervorbringung ist Gong Bao Ji Ding, im Original 宮保雞丁 geschrieben. Weil weder die eine noch die andere Schreibweise besonders leicht von westlichen Zungen geht, läuft das Gericht bei uns häufiger als Gong Bao Huhn oder Gong Bao Chicken, manche Chinarestaurants nennen es auch einfach nur Kung Po, das klingt nach Kung Fu und mithin angenehm unexotisch. Egal wie Sie ihn schreiben, geht der Name auf Ding Baozhen zurück, einen hohen Amtsträger der Qing-Dynastie, der den Titel Gong Bao führte. Die Assoziation mit der imperialistischen Qing-Dynastie wurde – wenig überraschend – im China der Kulturrevolution allerdings zum ernsten Problem, und die stolze Speise musste sich gefallen lassen, von den Maoisten (sinngemäß) zum Würzigen Huhn degradiert zu werden, bevor sie ihren angestammten Namen im Zuge des Reformprozesses der 1980er-Jahre zurückerhielt.1
Gerichte der Szechuan-Küche zeichnen sich durch aromatische Dichte und vernehmliche Schärfe aus, fast immer mit im Spiel ist der eigenwillige Szechuanpfeffer. Beim Gong Bao Ji Ding wird das Huhn mit Erdnüssen und Frühlingszwiebeln kombiniert, Ergänzungen durch weitere Gemüse sind alles andere als selten. Das Ergebnis ist nicht nur geschmacklich höchst beglückend, auch sensorisch bekommen Sie eine Menge geboten.
In der Küche
Reden wir zunächst über das Huhn. Ich habe Gong Bao Ji Ding schon mit Hühnerbrüsten wie auch -keulen zubereitet und rate entschieden zu Keulen. Sie leisten beim Schneiden ein wenig Widerstand und garen etwas länger, entwickeln dabei aber eine flutschige Geschmeidigkeit, die perfekt zum Gericht passt und sich mit Brust so nicht erreichen lässt.
Der zweite wichtige Punkt betrifft die Gerätschaft. Gong Bao Ji Ding ist eigentlich ein klassisches Wok-Gericht. Und zwar nicht die Aluguss-Wokpfanne westlicher Bauart, die auf den Durchmesser Ihres Glaskeramik-Kochfelds abgestimmt ist, sondern das blecherne Ungetüm mit gewölbtem Boden, das auf großer, offener Flamme betrieben und somit ernsthaft heiß wird, wobei das Gargut durch die ständige Bewegung immer nur sehr kurzen Kontakt zur Hitze erhält und dabei ab und zu Feuer fängt, was zu unnachahmlichen Rauchnoten führt. Den Wok erhalten Sie im nächsten Asia-Laden für kleines Geld, schwieriger wird es mit der offenen Flamme, nach der Sie zumindest in meiner Umgebung lange suchen müssen – herzlichen Glückwunsch, wenn das bei Ihnen anders ist. Nächstliegende Alternative für Otto Normalherdbesitzer ist eine Gusseisenpfanne, fehlt auch diese, wird es eben irgendeine bratfähige Pfanne. Das Gong Bao Ji Ding schmeckt damit ja keineswegs schlecht, Sie erreichen halt nur 90 bis 95 der vollen 100 Punkte und betrachten die Luft nach oben am besten als Ansporn.
Die meisten Rezepte führen einige Zutaten auf, die Sie wohl nur vorrätig haben, wenn Sie regelmäßig dem Chinesischen frönen. Der bereits erwähnte Szechuanpfeffer ist immerhin so geläufig, dass er auch im mäßig sortierten Supermarkt zu bekommen sein sollte, während seine ggf. existente Asia-Abteilung bei Shaoxing-Wein und Chinkiang-Essig eher abwinken wird. Shaoxing-Wein ist ein Reiswein, den Sie mit dem japanischen Pendant Sake oder trockenem Sherry ersetzen können, Chinkiang-Essig ähnelt am ehesten dunklem Balsamico.
Das nachfolgende Rezept ergibt ein moderat scharfes Gong Bao Ji Ding, heißt: Die Schärfe ist präsent, setzt jedoch keine langjährig und tapfer erarbeitete Chili-Leidenschaft beim Essen voraus. Sie können sich bei der Auswahl der Chilischoten an den einschlägigen Schärfetabellen orientieren oder – entgegen der Empfehlung des Rezepts – umso mehr von den Kernen drin lassen, je schärfer Sie es am liebsten hätten.
- 350 g Hühnerkeulen ohne Haut und Knochen (2 – 3 Keulen)
- 100 g geröstete, ungesalzene Erdnüsse
- 5 mittelgroße Frühlingszwiebeln, nur weiße und hellgrüne Teile
- 100 g rote Paprika (~ 1/2 große Schote)
- 100 g Staudensellerie (– 1 – 2 Stangen)
- 30 g frischer Knoblauch (– 3 – 4 mittlere Zehen)
- 30 g frischer Ingwer
- 10 mittelscharfe getrocknete rote Chilischoten (Schärfegrad 5, 5.000 – 10.000 SHU)
- 1,5 TL Szechuanpfeffer
- 3 EL hoch erhitzbares Pflanzenöl, z. B. Sonnenblumenöl
Marinade
- 3 TL Sojasauce
- 1 TL Speisestärke
- 1 TL Shaoxing-Wein (alternativ Sake oder trockener Sherry)
- 1/2 TL Salz
Sauce
- 3 EL Chinkiang-Essig (alternativ dunkler Balsamico)
- 2 EL Honig
- 2 EL Shaoxing-Wein (alternativ Sake oder trockener Sherry)
- 1 EL Sojasauce
- 1 TL Speisestärke
- bei Bedarf etwas Hühnerbrühe oder Wasser zum Nachjustieren
Hühnerkeulen in 20 mm große Würfel schneiden. Marinadezutaten verrühren, mit dem Hühnerfleisch mischen und mindestens 30 Minuten, besser ein paar Stunden kühl marinieren.
Chinkiang-Essig, Honig, Shaoxing-Wein und Sojasauce mit Speisestärke zu glatter, homogener Sauce verrühren.
Frühlingszwiebeln in 20 mm lange Stücke schneiden. Paprika entkernen, Rippen entfernen und Fruchtfleisch in 5 mm große Würfel schneiden. Staudensellerie von Längsfäden befreien und ebenfalls in 5 mm große Würfel schneiden.
Chilischoten in 15 mm lange Stücke zerteilen (evtl. mit Schere), Kerne weitestgehend entfernen. Knoblauch und Ingwer schälen und in sehr feine Scheiben schneiden.
Öl in Wok oder Pfanne stark erhitzen, die Chilischoten mit dem unzerkleinerten Szechuan-Pfeffer 30 – 60 Sekunden unter ständigem Rühren braten, bis sich ein starker Duft entfaltet. Hühnerfleisch zugeben und mitbraten, bis die Oberflächen keine rosa Stellen mehr zeigen.
Knoblauch, Ingwer, Paprika, Staudensellerie, Frühlingszwiebeln und Erdnüsse zugeben und 2 – 3 Minuten andauernd rührend mitbraten.
Sauce zugießen und sorgfältig mit dem Fleisch und Gemüse vermischen. Weiterhin rührend köcheln lassen, bis die Sauce soweit eindickt, dass sie alles gleichmäßig sämig überzieht und das Fleisch gar ist. Bei Bedarf schluckweise Brühe oder Wasser unterrühren.
1 Es war generell noch nie eine gute Idee, sich bei Prominenten – schon gar nicht Politikern – einzuschleimen, indem man Gerichte nach ihnen benennt. Niemand weiß, wann der Wind wohin dreht und am Ende sind Sie angeschmiert. Vergleichsweise unangreifbar bleiben Sie hingegen mit Namensfindungen wie Züricher Rahmgeschnetzeltes, Forelle nach Art der schönen Müllerin oder Handkäs’ mit Musik.
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