Getreide

Reige Gerstenhalme mit Ähren
Ähren, so gülden und fransig: ganz klar Gerste
Haferhalme mit Rispen
Keine Ähren, sondern Rispen: Hafer
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  • IT cereale

Versuchen Sie spaßhalber mal, sich eine Welt ohne Getreide vorzustellen. Weder Brot noch Nudeln noch Pfannkuchen, kein Pils vom Fass, auch Sushi und Risotto gänzlich unbekannt. Gut nur, dass Sie das insofern nicht zu jucken bräuchte, als Sie nach aller Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht existieren würden. Um Getreide anzubauen, musste der Mensch vor 12.000 Jahren erst zum Ackerbau finden, nachdem ihm allmählich dämmerte, dass es Jagen und Sammeln auf Dauer nicht sein können. Ackerbau bedingte Sesshaftigkeit, was die Errichtung erster Siedlungen nach sich zog, womit die Grundsteine der Zivilisation gelegt waren.

Getreideanbau erwies sich als ertragreich, und die Ernte ließ sich problemlos lagern, kein Vergleich mit dem täglichen Klein-Klein nomadisierenden Zusammentragens von allerlei Pflanzenteilen und Getier ohne Erfolgsgarantie. Auch wenn vermutet werden darf, dass bereits frühe Nomadenkulturen einfache Wildgetreide-Fladen auf Feuern buken, wurde Getreide die ersten paar tausend Jahre hauptsächlich als Brei gegessen. Um 3.000 v. Chr. entdeckten die Ägypter endlich die verblüffende Wirkung von Hefen und läuteten damit das gezielte Backen von Brot ein, das nicht nur zum Nahrungsmittel schlechthin, sondern zum Sinnbild der Nahrung und des Lebens wurde. »Brot und Spiele«, »brotlose Kunst«, »in Lohn und Brot stehen«, »wes Brot ich ess, des Lied ich sing« – bestimmt fallen Ihnen noch mehr Beispiele ein.

Ob als Brot oder sonstwie zugeführt: Die Hälfte aller Energie und ein Drittel allen Eiweißes, das die Weltbevölkerung via Nahrung aufnimmt, stammen von Getreide. Ohne dieses Nahrungsmittel wäre das Bevölkerungswachstum auf der Erde ungleich bescheidener ausgefallen – die geäußerte Behauptung, dass Sie (und ich) ohne Getreide wohl nicht hier wären, ist also nicht zu gewagt.

Getreidearten

Alle für unsere Ernährung bedeutsamen Getreidearten gehören zur Familie der Süßgräser (Poaceae):

Außerdem gibt es eine Reihe getreideähnlicher Pflanzen, die landläufig als Getreide gelten, in Wahrheit aber keine sind, dazu zählen:

  • Buchweizen
  • Amarant
  • Quinoa
  • Wildreis

Das Getreidekorn

Körner der verschiedenen Getreide sind im Wesentlichen gleich aufgebaut: Innen befindet sich das Nährgewebe, das aus dem Mehlkörper oder Endosperm und der ihn umgebenden Aleuronschicht besteht. In der Außenzone des Mehlkörpers sitzt der Keimling, zusammen gehalten wird das Ganze von den Randschichten aus Frucht- und Samenschale.

Der Mehlkörper nimmt etwa drei Viertel der Kornmasse ein. Er besteht hauptsächlich aus Stärke, daneben aus Eiweiß, Fett und Mineralstoffen. Beim Heranwachsen einer neuen Pflanze aus dem Korn findet der Keimling im Mehlkörper und der Aleuronschicht ausreichend Nahrung, bis er über Wurzeln und Blätter selbst Nährstoffe aufnimmt und bildet. Der Keimling ist übrigens ein echter Teufelskerl: gerade mal 3 Prozent der Kornmasse, aber prall gefüllt mit Eiweiß, Fett und Vitaminen. Form, Stabilität und Schutz finden Korn samt Keimling in der Fruchtschale und der Samenschale. Beide bestehen aus faserigen Ballaststoffen, was sich nach unnötiger Beschwernis anhören mag, in Wahrheit entfalten diese Stoffe in Ihrem Organismus aber eine Vielzahl wohltuender Wirkungen und die Menschheit bezieht immerhin 40 Prozent ihres Gesamtbedarfs an Ballaststoffen aus Getreidekörnern.

Die meisten Getreideprodukte auf dem Markt enthalten nicht alle Bestandteile des Korns – falls doch, handelt es sich um Vollkornerzeugnisse, die normalerweise plakativ als solche gekennzeichnet werden, sodass Sie nicht selbst drauf kommen müssen.

Rohes Getreide

Ihnen kann es gar nicht puristisch und ursprünglich genug zugehen? Dann könnte das Verspeisen von rohem Getreide eventuell das Richtige für Sie sein – ob es Spaß macht, werden Sie dann schon sehen. Um Ihr Verdauungssystem nicht über Gebühr zu strapazieren, zerkleinern Sie die Körner am besten und weichen sie einige Stunden in kaltem Wasser oder gesäuerten Milchprodukten wie Joghurt, Sauermilch, Dickmilch oder Kefir ein. Alternativ können Sie auf Getreideflocken zugreifen, die z. B. Bestandteil jedes Müslis sind. Auch Flocken sollten Sie lieber einweichen, 10 – 20 Minuten reichen dafür aus. Für Einsteiger empfehlen sich die bekömmlicheren Arten Hafer, Weizen oder Dinkel, während etwa Roggen am anderen Ende der Skala steht, wo sich fortgeschrittene Rohkostjünger in Glaubensstärke üben können.

Falls Ihnen Rohes zusagt, die Körner aber zu rustikal erscheinen, bieten sich Keimlinge an, die oft auch als Sprossen bezeichnet werden. Die erhalten Sie entweder verzehrfertig im Handel oder stellen sie aus geeigneten Körnern selbst her, die Sie wiederum eine Weile einweichen, um sie danach einige Tage lang zyklisch zu wässern, bis sie aufplatzen und der Keimling sich zur gewünschten Reife entwickelt hat.

Getreide garen

Sie können jedes Getreide kochen. Entweder als ganzes oder geschältes Korn, wie es beispielsweise bei Reis oder Hirse die Regel ist, während Weizen oder Gerste eher in zerkleinerter, mitunter vorgegarter oder anderweitig vorbereiteter Form gegart werden (wobei Sie niemand am Garen ganzer Weizen- oder Gerstenkörner hindert). Je nach Getreideart und Ausgangszustand kann ein vorheriges Einweichen wiederum unerlässlich oder mindestens ratsam sein und die Garzeiten schwanken beträchtlich.

Mehl, Schrot, Grieß, Dunst und Kleie

Die bei uns mit Abstand meistverwendeten Mehle stammen vom Weizen und Roggen. Für beide ebenso wie für Dinkelmehl sind in Deutschland Mehltypen zwischen 405 und 1800 definiert, die darüber Aufschluss geben, wieviel Prozent des ganzen Korns im Mehl gelandet sind. Vollkornmehle heißen so, weil sie das volle Korn enthalten, sie entziehen sich damit dieser Klassifizierung. Für alle anderen gilt: je höher die Typenzahl, desto mehr vom Korn ist drin und desto dunkler ist das Mehl.

Zweites Unterscheidungsmerkmal ist der Feinheitsgrad. Von Mehl sprechen wir genau genommen, wenn der höchste Zerkleinerungsgrad mit einem Körnchendurchmesser < 0,15 mm erreicht wurde. Ist der Zerkleinerungsgrad geringer, das Mahlgut also gröber, unterscheidet man Schrot, Grieß und Dunst:

  • Schrot sind zerkleinerte Getreidekörner, die nicht präzise bemessen sind, sondern als grober, mittlerer und feiner Schrot gehandelt werden.
  • Grieß wird aus dem reinen Mehlkörper ohne Außenschichten gemahlen. Der Körnchendurchmesser beträgt ungefähr 0,3 bis 1 mm.
  • Dunst ist etwas gröber als Mehl, aber feiner als Grieß, der Körnchendurchmesser liegt bei 0,15 bis 0,3 mm. Weil sich Dunst nicht so puderig glatt wie Mehl anfühlt, sondern die Partikel gut spürbar sind, wird er auch als griffiges oder doppelgriffiges Mehl bezeichnet.

Enthält Mehl, Dunst, Grieß oder Schrot nicht das volle Korn, bleiben zwangsläufig Schalen übrig, die zu Kleie zerkleinert werden können. Kleie zu essen dient vermutlich seltener dem Lustgewinn als der forcierten Zufuhr von Ballaststoffen, mit denen sie nicht geizt.

Grütze, Bulgur, Graupen und Couscous

Grütze sieht auf den ersten Blick genau wie Schrot aus, beim genaueren Hinsehen erkennen Sie indessen, dass die Teilchen eher geschnitzt als zerbröselt wirken. Anstatt wie beim Schroten zwischen Walzen, dem sog. Walzenstuhl zerbrochen zu werden, wird das nach Korngröße sortierte Getreide zunächst geschält und anschließend im Grützeschneider zerschnitten. Je nach Einstellung entsteht dabei grobe, mittlere oder feine Grütze.

Ein Grundnahrungsmittel in der Türkei und dem vorderen Orient ist Bulgur, eine Sonderform der Weizengrütze. Seine Besonderheit besteht darin, dass er vor dem Schälen und Schneiden vorgegart wird.

Anhänger klarer geometrischer Formen kommen bei Graupen auf ihre Kosten. Körner oder Grütze von Gerste oder Weizen werden dafür rund (A-Graupen), halbrund (B-Graupen) oder länglich-oval (C-Graupen) geschliffen . Damit nicht genug, gibt es das Ganze in fünf verschiedenen Größen zwischen extra grob und extra fein. Feinste runde Qualitäten werden als Perlgraupen angeboten und gelten als Höhepunkt des Graupigen.

Aus Nordafrika stammt Couscous, eine originelle Kreation, die äußerlich an Hirsekörner oder Weizengrütze erinnert. Tatsächlich wird dafür Grieß aus Hartweizen, Gerste oder Hirse befeuchtet und zu Kügelchen geformt, die dann wiederum getrocknet werden.

Kontext

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