Pasta tonnata

Angeblicher Klassiker mit unklarer Geschichte: Pasta tonnata
Angeblicher Klassiker mit unklarer Geschichte: Pasta tonnata

Der italienische Thunfisch ist il tonno und gäbe es das Verb tonnare, wären Pasta tonnata verthunfischte Nudeln. Sie brauchen nicht lange zu suchen, bis Ihnen jemand dieses Gericht als »italienischen Klassiker« anpreist, wohingegen die Suche nach Indizien, die seinen Klassikerstatus unterfüttern, ziemlich sicher im Nirgendwo enden wird. Wahrscheinlicher ist, dass sich irgendwann in den letzten 20 oder 30 Jahren ein Verbrauchermagazin über das piemontesische Vitello tonnato hergemacht hat, um es für die Feierabendküche gestresster Berufstätiger zu trivialisieren. Das thunierte Kalb wird belegbar seit spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts zubereitet,1 und ich bin voller Optimismus, dass ich Ihnen noch im aktuellen Jahrhundert mehr dazu erzählen werde, als Sie je zu wissen wollen glaubten. Weil aber nicht jeder Tag ein Kalbfleischtag sein kann und ich außerdem starke Sympathien für schnelle Nudelgerichte hege, die sich zubereiten lassen, während die Nudeln kochen, werte ich die Trivialisierung in diesem Fall als Glücksgriff.

Zutaten und Zubereitung

Pasta tonnata, Schlüsselzutaten: Thunfisch, Sardellen, Kapern, Zwiebeln, Knoblauch, Staudensellerie
Zutarten für Pasta tonnata: Thunfisch, Sardellen, Kapern, Zwiebeln, Knoblauch und eventuell auch Staudensellerie

Die Sauce des berühmten Vorbildes basiert auf Mayonnaise, viel entscheidender sind aber die anderen Zutaten: Thunfisch, Sardellen, Kapern und Zitrone. Im Fall der Pasta tonnata verbinden sie sich mit Sahne und statt dem Kalbfleisch umhüllt die Sauce Nudeln. Die Aromenkombination schlägt sich nicht umsonst seit mehr als 150 Jahren bemerkenswert tapfer und funktioniert auch ohne Kalbfleisch so gut, dass die Pasta tonnata realistische Chancen haben, in den nächsten 150 Jahren doch noch zum echten Klassiker heranzureifen.

Pasta tonnata, Ansatz der Sauce: Zutaten werden bei mäßiger Hitze angeschwitzt
Ansatz der Sauce: Zutaten werden bei mäßiger Hitze angeschwitzt …

Die Sauce verlangt kein großes Gedöns. Sie schwitzen fein gehackte Zwiebeln und Knoblauch an, geben Sardellen sowie den Thunfisch zu, schwitzen beides kurz mit und gießen dann Sahne darüber. Wenn Sie dieses Gemisch einige Minuten köcheln lassen, verbindet sich der Fisch nach und nach mit der Sahne; um die Sauce noch homogener und cremiger zu bekommen, können Sie kurz mit dem Stabmixer durchpflügen. Zum Schluss ziehen Sie die Kapern unter, schmecken mit Zitrone ab und vermengen die Sauce mit den Nudeln: Spaghetti, Linguine, Fettucine, Farfalle, Fussili – es geht fast alles. Behalten Sie bei aller Einfachheit dennoch die Zutaten im Auge und kaufen nach Möglichkeit den besten Thunfisch, die kleinsten Kapern, sorgsam fermentierte Sardellen und preisverdächtige Zitronen.

Pasta tonnata, mit zugefügter Sahne fertig gestellte Sauce
… dann mit Sahne aufgegossen und zu einer sämigen Sauce eingekocht

Wenn Sie möchten, spendieren Sie der Sauce den einen oder anderen Akzent – ihre stabile aromatische Dichte stellt sicher, dass dabei nicht viel schiefgehen kann. Staudensellerie macht beispielsweise eine gute Figur in ihr, auch Ergänzungen durch Kräuter wie Petersilie, Basilikum oder Thymian sind zu begrüßen. Statt Kapern können Sie Kapernfrüchte verwenden und falls sich der Tag völlig unerwartet doch als Kalbfleischtag erweisen sollte, schneiden Sie dasselbe in feine Streifen, die Sie kurz anbraten und unterheben. Behaupten Sie einfach im Brustton der Überzeugung, es handele sich dabei um die legendären Pasta al vitello tonnato decostruito, die meisten Leute werden Ihnen glauben, da der Mensch nun mal milde und versöhnlich gestimmt ist, solange ihm das Essen schmeckt.

Angeblicher Klassiker mit unklarer Geschichte: Pasta tonnata

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Pasta tonnata

  • 200 g Nudeln nach Belieben
  • 125 g Thunfisch aus dem Glas
  • 1 kleine Zwiebel
  • 1 mittelgroße Zehe Knoblauch
  • 6 eingelegte Sardellenfilets
  • 2 EL Kapern
  • 1 – 2 EL Zitronensaft
  • 1 TL geriebene Zitronenschale
  • 20 g Staudensellerie
  • 200 ml Sahne
  • Olivenöl
  • Kräuter nach Belieben

Nudeln nach Packungsanweisung garen.

Derweil die Zwiebel schälen und fein würfeln, Knoblauch schälen und fein hacken, Sardellenfilets mit Gabel zerdrücken. Staudensellerie von eventuellen Längsfäden befreien und fein würfeln. Thunfisch auf Sieb abtropfen lassen und zerzupfen.

Großzügig Olivenöl auf mittlerer Hitze erwärmen und die Zwiebelwürfel darin anschwitzen, bis sie goldgelb und weich sind.

Zerdrückte Sardellen, Knoblauch, Selleriewürfel sowie den zerzupften Thunfisch zugeben und alles kurz mitdünsten, dann mit der Sahne ablöschen. Aufkochen lassen und bei geringer Hitze einige Minuten köcheln lassen, bis sich Sahne und Fisch verbinden. Optional kurz den Stabmixer durch die Sauce ziehen, um sie glatter und sämiger zu machen. Sauce mit etwas Nudelkochwasser verdünnen, falls Sie zu dick einkocht.

Zum Schluss die Kapern und ggf. Kräuter unterrühren, mit Salz, Pfeffer sowie Zitronensaft und -schale abschmecken. Sauce mit den abgetropften Nudeln vermengen und sofort servieren.

1 Angelo Dubini »La cucina degli stomachi deboli«, Giuseppe Bernardoni, Milano, 1862

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