Sardellen

Frische Sardellen, ausgenommen
Klein, aber fein: die Europäische Sardelle (Engraulis encrasicolus)
  • EN anchovies
  • FR anchois
  • ES anchoas
  • IT sardelle, acciuge

Wenn wir im kulinarischen Kontext von Sardellen reden, ist nur eine von etwa 140 Arten gemeint: die Europäische Sardelle (Engraulis encrasicolus). Sie gehört zur Ordnung der Heringsartigen und kommt hauptsächlich im östlichen Atlantik, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer vor.

Europäische Sardellen bleiben in aller Regel unter 15 cm lang, meistens bedeutend kürzer, sie sind von langgezogener, schlanker Gestalt, silberfarben mit dunklem Rücken und besitzen ein auffallend unterständiges Maul. Wie alle Heringsartigen haben sie nur eine einzige Rückenflosse in Körpermitte, auch die Bauchflossen liegen mittig und die Schwanzflosse ist ausgeprägt gegabelt. Die Fische formieren sich zu riesigen Schwärmen, leben eher in seichten Gewässern und ernähren sich von Plankton.

In der Küche

Frische Sardellen, filetiert
Nichts für faule Säcke: Sardellen filetieren
Frische Sardellen, Reste vom Filetieren, Köpfe und Gräten
Alles, was übrig bleibt

Im Mittel- und Schwarzmeerraum werden Sardellen gerne frisch gegessen, was unbedingt empfehlenswert ist. Nördlich der Alpen halten sich sowohl Beliebtheit als auch Verfügbarkeit im Rahmen, was vielleicht damit zu tun hat, dass Sardellen zu filetieren ein veritabler Scheißjob ist und der Gedanke, sie samt Gräten zu essen, viele abstößt. Wie auch immer: Sardellen, in etwas Mehl gewendet und knusprig gebraten, lassen Sie schnell alles vergessen, was vorher gewesen sein sollte.

Den mit Abstand häufigsten Einsatz finden Sardellen in unseren Breiten als Konserven. Ausgenommen oder filetiert, in Salz(lake) oder Öl stehen sie in jedem Supermarkt und es ist eine gute Idee, stets ein Gläschen oder Döschen im Haus zu haben. Bessere Qualitäten können Sie ohne Weiteres einfach so essen, meistens dienen die Fische aber als Würzmittel. Konservierte Sardellen werden oft Anchovis genannt, andere meinen, Anchovis wäre bloß ein alternativer Name für Europäische Sardellen als solche.1 Da Sie Sardellen bei uns ohnehin meist als Konserve erwerben, ist die Unterscheidung müßig – machen Sie sich also keinen Kopf, wenn ein Rezept nach Anchovis verlangt, auf Ihrem Gläschen aber Sardellen steht.

Sardellen in Öl, im Glas  (Engraulis encrasicolus)
Geschmacksverstärker, dicht an dicht: Sardellen im Glas
Sardellen in Öl, fünf einzelne Filets
Zutat für alles Mögliche: Sardellenfilets

Das Interessante an konservierten Sardellen/Anchovis ist, dass sie nicht zwingend »nach Fisch« schmecken, weswegen sie auch als Zutat denkbar fischferner Gerichte gern gesehen sind. Die Reifung im Salz oder Öl dauert bis zu zwei Jahren, dabei fermentieren die Fische und entwickeln nicht nur eine unnachahmlich mürbe Konsistenz, sondern auch geschmackliche Tiefe und Intensität. Schon lange bevor außerhalb Japans jemand von Umami sprach, galten Sardellen in europäischen Küchen als astreine Geschmacksverstärker, in der Anmutung verwandt mit Fischsaucen und Sojasaucen der asiatischen Küche oder Garum, ebenfalls einer Würzsauce aus fermentiertem Fisch, die zur Grundausstattung antiker römischer Gewürzborde zählte.

Wie die Sardelle ins Essen kommt, ist unterschiedlich. Mitunter werden ganze Filets oder feine Streifen einfach aufgelegt, die verbreitetste Methode ist indessen, sie fein zu hacken oder mit einer Gabel zu zerdrücken und mitzugaren. Braten Sie so vorbereitere Sardellen an, lösen sie sich fast zu Mus auf, mürbe wie sie sind.

Bevor Sie – zumal eingesalzene – Sardellen verwenden, sollten Sie stets prüfen, wie salzig sie tatsächlich schmecken und sie nötigenfalls eine halbe Stunde wässern (und das Wasser dabei ab und zu erneuern) – ich erinnere mich an eine Pizza, die ihres Sardellenbelags wegen vollkommen ungenießbar war, genauso gut hätte man ein Salzfässchen über ihr ausschütten können. Doch Schwamm drüber – Pizza ist ein gutes Stichwort, um die konkreten Anwendungen einzuläuten, bestimmt bot sie einigen Menschen die erste bewusste Begegnung mit Sardellen.

  • Dass Sardellen auf Pizza normalerweise wunderbar schmecken, hat mit gleich zwei grundsätzlich glücklichen Paarungen zu tun: mit Tomaten und mit Käse (beides wiederum Umami-Schwergewichte).
  • Viele andere Gemüse verbinden sich harmonisch mit Sardellen, speziell (grüne) Blattsalate, Blumenkohl, (grüne) Bohnen, Fenchel, Karotten, (geröstete) Paprikaschoten, Spinat und Zwiebeln.
  • Geradezu kanonisch ist die Kombination mit Kapern. Sie zählt nicht nur zur Stammbesetzung vieler mediterraner Zubereitungen, sondern wirkt auch weiter nördlich mit, etwa im Beefsteak Tatar, in Sauce remoulade und Königsberger Klopsen.
  • Oliven und Sardellen gehen in Tapenaden eine fast zwingende Verbindung ein, Zitrone bringt die nötige Frische und Säure dazu, schöne Akzente lassen sich mit Kräutern setzen, allen voran Rosmarin oder Thymian.
  • Wo hartgekochte Eier serviert werden, sind Sardellen oft nicht fern – aus gutem Grund.

Neben den genannten Aromen gibt es noch weitere Begleiter, die Sie allemal berücksichtigen können: Basilikum, Essig, Knoblauch (siehe die piemontesische Bagna cauda), Orangenschale, Petersilie, Pfeffer, Schnittlauch, Senf, Sherry und Thunfisch.

Sardellenpaste

Gegen Sardellenpaste spricht grundsätzlich nichts, andererseits gibt es auch nicht viele Argumente für sie, außer dass Sie 30 Sekunden Hackarbeit sparen und kein Schneidbrett reinigen müssen. Vielleicht ertragen Sie den Anblick konkreter Fischbestandteile nicht und weichen gern auf die Abstraktion des homogenen Muses aus. Oder Sie lieben einfach Tuben, es gibt ja die seltsamsten Dinge auf der Welt. Bedenken Sie bei der Entscheidung, dass es sehr einfach ist, Sardellenfilets in Paste zu verwandeln, während der umgekehrte Weg versperrt bleibt.

Marinierte Sardellen

Vorwiegend auf der iberischen Halbinsel erfreuen sich Sardellen als mediterrane Variante des Bismackherings einiger Beliebtheit, sprich: filetiert und sauer eingelegt. Falls Sie frische Sardellen auftreiben, können Sie sowas selber herstellen, falls nicht, hilft der Handel.

Getrocknete Sardellen

Sardellen, getrocknet, komplett mit Kopf, Gräten und Innereien
Knabberei für Unerschrockene: Trockensardellen samt Kopf, Gräten und Innereien

In asiatischen Küchen werden getrocknete Sardellen verwendet, die Sie im gut bestückten Asia-Lebensmittelhandel finden. Es handelt sich dabei um winzige Exemplare kompletter oder kopfloser Fische, sie wurden also weder ausgenommen noch filetiert (was zweifellos eine arge Strafarbeit wäre). Sofern Sie nicht allzu erschrocken sind, können Sie die Dinger statt Erdnüssen oder Kartoffelchips knabbern, in Asien werden sie vorzugsweise als Würzmittel für Suppen, Saucen und Schmorgerichte gebraucht, aber auch gebraten oder frittiert.

1 Wenn Sie die anderssprachigen Bezeichnungen für Sardellen anschauen, spricht alles für die Auffassung der zweiten Gruppe.

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