Bœuf bourguignon
Sollten Sie als Fernziel das allmähliche Heranreifen zur überregional anerkannten Schmorkoryphäe anstreben, kommen Sie an Bœuf bourguignon nicht vorbei. Das »burgundische Rind« markiert die Oberklasse des Schmorwesens und dient gleichzeitig der französischen Küche als eine ihrer prächtigsten Galionsfiguren. Von erkennbar bäuerlicher Herkunft, fand das Gericht bald Einzug in die Hochküche, wo es sich zu seiner heutigen Form entwickelte, einer außergewöhnlichen Symbiose von Rustikalität und Eleganz, deren Fangemeinde sich über die ganze Welt verteilt.
Zutaten und Zubereitung
Schmoren ist eine der simpelsten Garmethoden mit praktisch hundertprozentiger Gelingsicherheit, das gilt auch fürs Bœuf bourguignon. Das Besondere an ihm ist weniger das Bœuf als die Schmorflüssigkeit, die zum größten Teil, oft sogar vollständig aus Rotwein besteht. Die zentrale Bedeutung des Weins für die Kulturlandschaft Burgund ist selbst Leuten ohne tieferes Interesse an vergorenem Rebensaft geläufig: Das Weinanbaugebiet Bourgogne zählt seit 2015 zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist Ursprungsort der Burgunder- oder Pinot-Rebsorten, von denen es eine ganze Menge gibt. Eine davon ist Spät- oder Blauburgunder, französisch Pinot Noir, aus der so gut wie alle Rotweine der Region gekeltert werden. Und hier schließt sich der Bogen zum Bœuf bourguignon: Mustergültig zubereitet, schmort das Rindfleisch nicht in irgendeinem Rotwein, sondern in Pinot Noir aus der Bourgogne. Falls Sie sich ein bisschen mit Wein beschäftigen, wissen Sie, dass Spätburgunder eine Traube der kühleren Zonen und deshalb auch in den meisten deutschen Anbaugebieten zu finden ist, wo teils überragende Weine aus ihr entstehen. Sagen wir es so: Ihr Bœuf bourguignon wird damit keinesfalls schlechter.
In puncto Rind läuft es wie immer beim Schmoren: Sie wählen durchwachsene Stücke, die reich an Bindegewebe sind. Keule, Wade, Schulter und Brust eignen sich am besten. Das Kollagen des Bindegewebes wird im Lauf des Schmorprozesses in Gelatine umgewandelt, die das Fleisch zart und die Sauce sämig macht. Das Rindfleisch wird – ähnlich wie Gulasch – meistens in drei bis fünf Zentimeter große Würfel geschnitten, andere (darunter ich) ziehen handtellergroße Scheiben vor, die Schmorzeit wird von der Größe nur unwesentlich beeinflusst.
Typische Schmorzugaben fürs Bœuf bourguignon sind Speck, Karotten, Perlzwiebeln oder Schalotten sowie Pilze, in der Regel Champignons. Damit die Gemüsebeigaben am Ende nicht zu weich geraten, ist es besser, wenn sie erst später im Schmortopf landen.
Viele Rezepte sehen vor, das Fleisch vor dem Schmoren 24 Stunden in Rotwein zu marinieren. Ich kann aus eigener Erfahrung nicht bestätigen, dass der Unterschied gravierend ausfällt, dafür ist der Aufenthalt im Bad wohl zu kurz. Andererseits schadet das Marinieren natürlich nicht, wenn Sie also genug Zeit haben, probieren Sie einfach aus, ob Sie zu einer anderen Bewertung gelangen. Fügen Sie dem Rotwein eine Zwiebel, eine bis zwei Knoblauchzehen und ein paar Pfefferkörner bei und verwenden die Marinade dann als Schmorflüssigkeit.
Entgegen den wiederholt vorgetragenen Beteuerungen verschiedener toller Hechte brauchen Sie übrigens keinen Spitzenwein zum Schmoren zu nehmen, sondern trinken denselben lieber, dann haben Sie entschieden mehr davon. Der Wein bringt immerhin zwei bis drei Stunden oberhalb des Siedepunkts zu, büßt dabei Teile seines Alkohols ein und vermischt sich mit Fleischsaft, Gelatine plus einer Vielzahl von Gewürzen, Aromen und neu entstehenden Verbindungen zur Sauce. Was den Hundert-Euro-Wein zuvor bestenfalls vom Zehn-Euro-Wein unterschied, wird sich bis zum Ende des Schmorens zweifelsohne verloren haben. Vorschlag zur Güte: Kochen Sie mit Wein, den Sie auch trinken würden, aber nicht notwendig trinken müssen.
- 1,2 kg Rindfleisch aus Keule, Schulter, Wade oder Brust
- 375 – 750 ml Rotwein, vorzugsweise Spätburgunder
- 150 g mild geräucherter Bauchspeck
- 300 g Champignons
- 200 g Perlzwiebeln oder Schalotten
- 150 g Karotten
- 100 g Zwiebeln
- 2 – 3 Knoblauchzehen
- 50 g Tomatenmark
- 3 Lorbeerblätter
- einige Zweige frischer Thymian
- 3 EL Mehl
- Salz, Pfeffer
- Öl oder Butterschmalz zum Braten
Rindfleisch in nicht zu kleine Scheiben oder Würfel schneiden.
Bauchspeck in 4 mm dicke Scheiben oder Streifen schneiden. Champignons je nach Größe vierteln, sechsteln oder achteln. Zwiebeln schälen und fein würfeln, Perlzwiebeln oder Schalotten schälen und ganz lassen, größere Exemplare halbieren. Karotten schälen, längs vierteln oder sechsteln und in 4 – 5 cm lange Stücke schneiden. Knoblauch schälen und fein hacken.
In einem gut verschließbaren Schmortopf Öl oder Butterschmalz erhitzen. Fleischstücke in Mehl wenden, abschütteln und im heißen Fett rundum anbraten, bis sie schön gebräunte Krusten entwickelt haben, dann mit Salz und Pfeffer würzen. Fleisch herausnehmen und beiseite stellen. (Das Anbraten auf mehrere Durchgänge verteilen, falls nicht alle Stücke nebeneinander Platz finden.)
Hitze etwas reduzieren und im verbliebenen Fett des Schmortopfs die feingehackten Zwiebeln anbraten, bis sie weich und goldgelb sind. Speck zugeben und einige Minuten mitbraten, bis er glasig und leicht kross ist. Tomatenmark unterrühren und 2 Minuten mitbraten. Knoblauch und Lorbeerblätter unterrühren, dann den Ansatz mit circa 200 ml Wein ablöschen.
Aufkochen lassen, die geparkten Fleischstücke samt dem wahrscheinlich ausgetretenen Fleischsaft zurück in den Topf geben und mit soviel Rotwein auffüllen, dass der Pegel etwa die halbe Fleischhöhe erreicht (die Flüssigkeit nimmt während des Schmorens zu). Deckel auflegen und das Fleisch auf kleinster Flamme oder im 130 °C heißen Backofen insgesamt 2 bis 3 Stunden schmoren, bis es so weich ist, dass es sich mit der Gabel zerteilen lässt. Die Temperatur ist ideal, wenn die Sauce leise vor sich hinköchelt und gemütliche Blasen wirft.
Während das Fleisch schmort, in einer separaten Pfanne die Perlzwiebeln bzw. Schalotten, Karotten und Pilze anbraten, bis alles leicht gebräunt ist. Die Gemüse-Pilz-Mischung beiseite stellen und 60 – 90 Minuten vorm Ende der Schmorzeit unters Fleisch mengen.
Während des gesamten Schmorens gelegentlich den Flüssigkeitspegel kontrollieren und ggf. Wein zugießen. Thymianblättchen von der Zweigen zupfen und 15 – 30 Minuten vor der Fertigstellung in die Sauce rühren.
Kontext
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2 Kommentare
Oliver Schweitzer # 1 – 25.01.21, 21:42 Uhr
Das Mengenverhältnis ist perfekt in diesem Rezept. Das Gemüse nicht zu lange mitschmoren, finde ich, 1-1,5h vor Ende der Schmorzeit ist vielleicht weitere gute Richtlinie, statt "nach 1h Schmorzeit".
Am zweiten Tag noch besser.
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Ralf Schmid # 1.1 – 27.01.21, 00:18 Uhr
Sie haben recht mit dem Gemüse, ich habe das mal angepasst wie Sie vorschlagen. Bei überschlägig zweineinhalb Stunden Schmorzeit läuft es zwar Pi mal Daumen aufs Gleiche hinaus, aber manche Stücke (z. B. Waden) schmoren auch mal um einiges länger, insofern ist es tatsächlich besser, vom Ende her zu denken. Die Steigerung des zweiten (oder dritten) Tags hat vermutlich damit zu tun, dass die Zutaten noch länger Zeit haben, sich gegenseitig zu durchdringen.
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